An einem Nachmittag im August wurde Jack Zhoul geboren

Interview mit Jack Zhoul
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Pressefoto / ©Simeon Waelti

Jack Zhoul lautet der Künstlername des Zürchers Yannick Staubli, gleichzeitig steht der Name für seine Band. Wir haben mit ihm über seine Musik, eine verpasste Tanzkarriere und eine sommerliche Geburt gesprochen.

 

Jack Zhoul ist stilistisch gar nicht so einfach einzugrenzen, geht von poppig zu bluesig und endet bei der aktuellen Single «Look at Me Now» rockig und rau. Wie wichtig ist dir dieses Spiel mit den Genres?

 

Es ist ein anhaltender Prozess des Findens. Die erste EP «Heart In Mind» war experimentell. Bei der Arbeit daran habe ich gemerkt, dass ich meinen musikalischen Wurzeln zu wenig Raum gebe. Ich bin mit verzerrten, rockigen Gitarren aufgewachsen, dachte jedoch, dass diese Art von Musik bei mir nicht funktioniert. Erst gegen Ende der ersten EP entwickelte sich dieser Aspekt. Plötzlich löste sich eine Handbremse, das Schreiben gelang viel einfacher, die Ideen sprudelten und das Anfertigen von Demos war entspannter. Noch heute schreibe ich hin und wieder poppigere, intensivere Songs, aber mein Herz schlägt für verzerrte Gitarren. Der Findungsprozess als Band ist aber noch nicht abgeschlossen.

 

Du nutzt für deine stilistische Breite gerne das Motto «Eyes Closed and Heart wide open» - Augen geschlossen und das Herz weit geöffnet. Was verstehst du darunter?

 

Eine Zeitlang habe ich circa 200 Meter neben der Dali’s Bar in Zürich gewohnt. Die hatten jeweils am Montag eine Singer/Songwriter Night. Ein Kollege hat mich mal mitgenommen, allen vorgestellt und so hat es sich ergeben, dass ich mitgespielt habe. Im Züri Tipp war damals ein Eventhinweis zu einem dieser Abende und die verantwortliche Person hat geschrieben: «Augen zu und mit dem Herz durch die Wand». Ich habe keine Ahnung, wer den Satz geschrieben hat, bin aber bis heute dankbar dafür. Es ist die perfekte Visualisierung dafür, wie ich meine Musik machen möchte. Die Bedeutung ist nicht so einfach ins Englische zu übersetzen und die Phrase, die du zitierst hast, ist etwas lost in translation. Aber «Augen zu und mit dem Herz durch die Wand» trifft es gut. Diese Ambivalenz zwischen der rohen, dunklen Seite mit verzerrten Gitarren und treibenden, schweren Synthesizern und gleichzeitig die emotionalen Texte sowie die modernen, poppigen Produktionen, die bei mir zusammenkommen und sich langsam zu einer Struktur fügen.

 

 

An diesem Abend öffnete sich die Welt für mich und es war klar: Ich musste Gitarre spielen.

 

 

Bist du mit Jack Zhoul als Solokünstler gemeint oder die Band, mit der du auftrittst?

 

Es ist grundsätzlich beides, entwickelt sich aber immer noch. Erst war der Name für mich als Solo-Artist. Irgendwann spürte ich, dass die Art von Musik, die ich gerne machen möchte, in einem Bandformat intensiver klingt. So wurde Jack Zhoul langsam zum Namen für das gesamte Musikprojekt.

 

Wenn man dir zuhört, scheint Musik wichtig für dich. Wie bist du zur Musik gekommen?

 

Eigentlich ist eine fehlgelaufene Tanzkarriere der Ursprung. Im Gymnasium haben ein paar Freunde und ich kurzentschlossen einen Salsa-Tanzkurs belegt. Erst als wir im Kurs standen, habe ich realisiert, dass ich keine Partnerin hatte. Also musste ich als 14- oder 15-Jähriger mit der Tanzlehrerin tanzen. Eine wunderschöne Frau mit unglaublichen Bewegungen. Ich erinnere mich noch gut an ihre blauen Augen. Als pubertierender Teenager war ich völlig überfordert damit. Nach 3, 4 Lektionen hatte ich keine Lust mehr. Ich habe lieber mit Carlo abgemacht, mit dem ich bis heute befreundet bin und der heute mit mir produziert. Er hatte damals mit Gitarre angefangen. Als ich ihm zuhörte, realisierte ich plötzlich, dass alle meine Lieblingsbands wie Linkin Park oder Metallica von Gitarren geprägt sind. An diesem Abend öffnete sich die Welt für mich und es war klar: Ich musste Gitarre spielen. Zwar ging damit die Tanzkarriere bachab, aber das war ok. Also habe ich vorerst für mich im stillen Kämmerchen gespielt.

 

Wann hast du das Kämmerchen verlassen?

 

Am 1. August 2015 wachte ich nach einer langen Nacht an der Langstrasse, bei Freunden auf. Mit etwas schweren Köpfen sassen wir später auf dem Balkon. In einer Ecke stand eine alte, verlotterte, halb kaputte akustische Gitarre. Zwei Saiten waren gerissen und als Linkshändler war das Spielen sehr schwierig. Aber auf den untersten beiden Saiten konnte ich trotzdem etwas «Fly Away» von Lenny Kravitz rauf- und runterschieben. Die anderen waren begeistert und wollten mehr hören, aber mit einer Gitarre für Rechtshändler war das nicht möglich. Also machten wir einen Deal. Sie besorgten alles für einen geilen Brunch, ich zuhause meine Gitarre und dann trafen wir uns wieder. So sassen wir den ganzen Nachmittag auf diesem wunderschönen Innenhofbalkon, haben gemeinsam gesungen und den Sommertag genossen. Mit der Zeit haben die Leute auf den Balkonen um uns herum angefangen zu klatschen. Zuerst dachte ich, sie machen sich über mich lustig und konnte das gar nicht einschätzen. Ab da wollten meine Kollegen immer, dass ich die Gitarre mitbringe. Ohne ihren Support hätte ich vielleicht gar nie geglaubt, dass etwas daraus werden könnte. An diesem Nachmittag ist das ganze Projekt Jack Zhoul geboren worden.

 

Jack Zhoul - «Higher»

 

 

Für dich soll das Handy wichtig sein. Erste Songs hast du auf dem Handy aufgenommen, bis heute hältst du damit Ideen fest. Wie hilfreich sind solche technischen Hilfsmittel bei der Arbeit?

 

Ich habe alle meine Songs mit dem Handy aufgenommen. Zwar ist das nicht so romantisch wie das zerflederte, vollgekritzelte Notebook, aber die Realität ist, dass ich mit Handy und Laptop schreibe. Die Inspiration ist völlig unberechenbar und da hilft es, das Handy griffbereit zu haben. Interessanterweise kommt die Inspiration oft, wenn ich auf dem Töff sitze und unter dem Helm summe oder wenn ich abends endlich das Licht gelöscht habe, um zu schlafen. Unter dem Helm muss ich dann 10, 15 Minuten lang singen, um die Idee nicht zu vergessen, bis ich anhalten und sie festhalten kann. (Lacht)

 

Wie geht es nach einer Idee weiter? Wie arbeitest du die Songs aus?

 

Mein Laptop hat sich über die Jahre mit rund 200 Songs gefüllt, die unterschiedlich weit fortgeschritten sind. Beim Songwriting und dem Produktionsprozess bin ich definitiv besser geworden. Ich schreibe, probiere und habe langsam ein gutes Gespür entwickelt, wo Potential drinsteckt. Danach ist es auch eine Frage der Finanzierung. Ich bin komplett unabhängig und finanziere jeden Rappen des Projektes selbst. Um einen Song professionell mit einem Produzenten aufzunehmen, mit Mastering, allenfalls Instrumenten und entsprechenden Musikerinnen und Musikern, die hinzugezogen werden, braucht es schnell mal 2500 – 3000 Franken. Entsprechend willst du jene Songs auswählen, die wirklich am besten sind. Carlo und Benji sind die beiden Jungs, mit denen ich produziere und das funktioniert gut. Meist spiele ich ihnen Ideen direkt auf der Gitarre vor oder nehme einfache Demos auf, um den Ansatz zu zeigen und zu hören, was sie denken.

 

 

Irgendwann hatte ich meinen ersten Gig und wurde gefragt, wie ich eigentlich heisse. So wurde mit bewusst, dass ein Stage Name hermusste.

 

 

Arbeitet ihr aktuell an einer EP oder sind noch Songs bereits aufgenommen?

 

Wir sind hinter den Kulissen schon dabei, die dritte EP abzuschliessen. Es ist Realität, dass das Publikum stets in der Vergangenheit des Künstlers lebt, während der schon vorausarbeitet. Im Mai wird die zweite EP veröffentlicht, wir feiern am 3. Mai im Musikcafé X-TRA die Plattentaufe.

 

Wie ist der Name Jack Zhoul entstanden? Ist das ZH in Zhoul einen Bezug zur Limmatstadt?

 

Mit den Jungs vom 1. August, von denen ich erzählt habe, fahre ich regelmässig Motorrad. Bevor die Musik eine Rolle gespielt hat, haben wir als Joke eine Töffcrew gegründet, die Brothers of Zhoul. Bewusst mit dem Zh als Referenz an Zürich. Sogar ein Logo mit einem Löwen in der Mitte haben wir designt, etwas angelehnt an die TV-Serie «Sons of Anarchy». Das Logo hängt noch immer bei mir im Gang. So ist das entstanden. Irgendwann hatte ich meinen ersten Gig und wurde gefragt, wie ich eigentlich heisse. So wurde mit bewusst, dass ein Stage Name hermusste. (Lacht) Einer meiner Kollegen meinte bei einem Bier, ich solle doch das Zhoul mit meinem Namen Yannick kombinieren. Das überzeugte mich noch nicht richtig. Schon in meiner Kindheit nannten mich viele Kollegen aus irgendeinem Grund Jack. Keine Ahnung wieso. Aber irgendwie hat Jack von früher in der Kombination mit Zhoul gut gepasst.

 

Was steht bei dir als Nächstes an? Was planst du in diesem Jahr?

 

Ich freue mich sehr auf die Plattentaufe im Mai. Wir haben alle Songs bereit und das wird richtig gut. Die Taufe ist natürlich ein Investment, um uns zu präsentieren. Wir wollen in Zukunft möglichst viel im Trio spielen und falls dabei eine Gage rausspringt, auch zu viert wie an der Plattentaufe. Um in diesem Bookingzirkus zu bestehen, braucht man Referenzen. Es ist ein wenig die Huhn-und-Ei-Frage. Für Referenzen brauchst du Gigs, für Gigs muss man dich aber kennen. Darum ist an der Taufe ein Videograf dabei und ich hoffe, dass wir am Schluss coole Videos vom Gig haben und so mehr Auftritte bei Festivals bekommen. Im Sommer spiele ich noch in Aarau bei einem Festival und vielleicht findet jemand, dass wir cool klingen, und bucht uns. Nach dem Sommer geht es irgendwann in Richtung dritte EP, um weiter zu versuchen, den Namen bekannter zu machen. Ich freu mich sehr auf diese Reise, wohin auch immer sie führen mag.

 

 

 

* Dieser Artikel ist Teil einer Textpartnerschaft mit den Lokalzeitungen von zuerich24.ch. 

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 24. Apr 2024